Die Flüchtlinge als Chance statt als Gefahr sehen

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In ganz Europa wird vom Flüchtlingsproblem, vom Asylchaos und von der Flüchtlingskrise gesprochen. Ein wirkliches Problem haben nur die Flüchtlinge selbst, denn ihre Heimat steht seit über vier Jahren in einem Bürgerkrieg und wird zwischen fanatischen Terroristen, einem brutalen Regime und vielen anderen Akteuren zerrieben. Für Europa und die Schweiz hingegen sind die Flüchtlinge eine Chance. Dies einzusehen, ist von grösster Notwendigkeit.
Viele Ökonomen sehen in den Flüchtlingen ein regelrechtes Konjunkturprogramm, denn es kommen viele junge Menschen, welche arbeiten und konsumieren werden. Zudem helfen diese jungen Menschen, der Überalterung unserer Gesellschaft entgegenzuwirken. Einige Flüchtlinge sind gut ausgebildet und können den Fachkräftemangel lindern. Viele sind so jung, dass sie noch ausgebildet werden können, um der Wirtschaft später ebenfalls als Fachkräfte zur Verfügung zu stehen. Des Weiteren birgt der Austausch von Christen und Muslimen die Chance einer besseren Verständigung, die langfristig auch in den Nahen und Mittleren Osten ausstrahlen könnte.
Wenn wir diese Chancen allerdings nicht nutzen, dann werden wir ziemlich bald wirklich ein Problem, ein Chaos, oder eine Krise haben. Eine Mehrheit der Flüchtlinge wird sich nicht durch ein paar harte Worte oder härtere Asylverfahren abschrecken lassen. Dafür sind die Bedingungen in Syrien und den angrenzenden Staaten schlicht zu schlecht. Die Grenzen lassen sich auch nicht schliessen, ausser vielleicht mit extremem Gewalteinsatz gegenüber unbewaffneten Menschen. Dies wäre das Ende der „europäischen Werte“ oder unserer „humanitären Tradition“ und – ganz nebenbei bemerkt – unglaublich teuer. Das Resultat einer solchen Kriminalisierung wäre die Herausbildung von Parallelgesellschaften. Viele enttäuschte und ihrer Zukunft beraubter junge Menschen sind der ideale Nährboden für Extremismus. Der Abschottungsversuch gegenüber Flüchtlingen ist die perfekte Rekrutierungskampagne für den IS und andere Extremisten.
Wie schaffen wir es also, die Chancen, welche die Flüchtlinge uns bieten, zu nutzen? Wir brauchen den politischen Willen, in verschiedensten Bereichen regulatorische Anpassungen vorzunehmen und Investitionen zu tätigen. Zuerst müssen die Verfahren beschleunigt werden, damit Flüchtlinge möglichst kurze Zeit in Asylzentren wohnen müssen. Zudem müssen sie von Anfang an das Recht haben, zu arbeiten. Arbeit ist die beste Integrationsmassnahme und fördert zudem die Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Lohn wird die Flüchtlinge zudem sehr schnell von staatlichen Sozialleistungen unabhängig machen. Hierfür ist es wichtig, dass den Unternehmen möglichst wenige bürokratische Hindernisse in den Weg gelegt werden und ein flexibler Arbeitsmarkt gewährleistet wird. Die Furcht, dass die Flüchtlinge den Schweizern die Arbeit wegnehmen, basiert auf der ökonomisch falschen Annahme, dass es nur eine bestimmte Anzahl an Jobs gibt, die in einem Land zu vergeben sind. In Wirklichkeit werden neue Jobs kreiert, weil die Flüchtlinge durch ihren Konsum die Wirtschaft ankurbeln. Es ist gut möglich, dass die Löhne von wenig qualifizierten Arbeitnehmern unter Druck geraten werden. Dies ist aber kein Argument gegen die Flüchtlinge, sondern ein Argument für verstärkte Bemühungen im Bildungswesen, denn der Trend von niedrigeren Löhnen für wenig qualifizierte Arbeitnehmer ist bedingt durch Globalisierung und Automatisierung unserer Volkswirtschaft und kann langfristig nicht aufgehalten werden. Weitere wichtige Integrationsmassnahmen sind Investitionen in verschiedene Bildungsangebote, um Sprachkurse und Berufsbildung anzubieten, sowie die Entbürokratisierung bei der Privatunterbringung von Flüchtlingen.
Die hier erwähnten und andere Massnahmen für eine Integration der Flüchtlinge sind teuer. Das Versäumnis diese Massnahmen umzusetzen, ist langfristig jedoch viel teurer, in wirtschaftlicher, moralischer, sowie sicherheitspolitscher Hinsicht. Die Ausgaben für die Integration sind als Investment in die Zukunft zu sehen und haben – wenn konsequent umgesetzt – einen garantierten Return on Investment. Damit dies auch auf der politischen Bühne endlich eingesehen wird, ist eine Abkehr von der ängstlichen Besitzstandwahrer-Mentalität notwendig. Wir brauchen mehr Mut und Pioniergeist.

János Ammann, 16.10.2015. János Amman studiert Internationale Beziehungen.